Akademische Reitkunst
In der Renaissance gab es in Europa viele Reitakademien, in denen der Adel unterrichtet wurde. Reiten gehörte zum Lernstoff wie Lesen, Schreiben, Rechnen und Kampfübungen.
Der bedeutendste Reitmeister im 16. Jahrhundert war Antoine Pluvinel, er war Reitlehrer von König Ludwig XIII. in Frankreich.
Reitschüler der Reitakademien waren meist Könige und Fürsten, welche dort künstlerische, geistige und körperliche Ausbildung erhielten. Wichtige Ziele der Reitausbildung war ein anmutiger und harmonischer Anblick des Adligen auf seinem Pferd; das Pferd sollte freiwillig mitarbeiten und charakterlich sowie muskulär geformt werden. Der Reiter förderte entsprechende Anlagen und Talente des Pferdes. Die Reitkunst sollte das Pferd befähigen, seinen Reiter tragen zu können, ohne selbst davon Schaden an Leib und Seele zu nehmen. Das Pferd sollte durch die Reitkunst noch schöner werden.
Das einhändige Führen der Zügel gab die Arbeitshand frei für das Schwert, den Degen, das Schild oder ein Zepter.
Damals wie heute symbolisiert die einhändig geführte Kandare den Reichsapfel, die nach oben gehaltene Holzgerte symbolisiert das Zepter. Die Gerte war aus Holz: würde der Reiter sein Pferd damit schlagen, so würde sie zerbrechen. Sie gilt vor allem als Zeigestock und als Takthilfe.
Zur Zeit des Barocks wurde die Schußwaffe eingeführt. Das Reiten wurde zur Kunstform erhoben. Der bedeutenste Reitmeister dieser Zeit war Francois Robinchon de la Guerinière.
Im Unterschied zur Gebrauchs-Militärreiterei, aus welcher sich die Turnierreiterei nach FN-Richtlinien ableitet, wird in der klassischen Reitkunst größter Wert auf feine Hilfengebung, eine weichstmöglichste, stets zum Nachgeben bereite Hand und eine kaum sichtbare Hilfengebung aus dem Sitz heraus gelegt.
Reitkunst wird nicht am Schwierigkeitsgrad bestimmter Übungen gemessen, sondern einzig an der Übereinstimmung von Pferd und Reiter und deren sichtbaren Ausdruck. Das Pferd ist Inspiration und Grundlage zugleich. Respekt und Demut vor dem Geschöpf Pferd, das Bestreben, mit dem Pferd in Einklang und Harmonie in der Bewegung zu kommen, führt zu der Zielvorstellung: zwei Körper verschmelzen zu einem Ganzen – die Übereinstimmung von Geist und Körper zweier Lebewesen – das ist Reitkunst.
Das erfordert vom Reiter sowie vom Pferd Freude und Leidenschaft am gemeinsamen Handeln. Denn ohne Liebe, Hingabe und freie Kreativität ist keine Reitkunst möglich.
Reiten sollte ein Duett sein, kein Duell.
Nicht die Trabverstärkung und die im Turniersport geforderte spektakuläre Bewegung des Pferdes sind das Ziel, sondern weiche, runde, locker schwingende Bewegungsabläufe sowie höchste Versammlung, d.h. größtmöglichste Kraft in der Hinterhand und in der Bauchmuskulatur. Deshalb ist jedes Pferd für diese Reitweise geeignet, es müssen nur die Ziele an den jeweiligen Körper angepasst werden. Die Ausbildung wird nicht vor dem 4. Lebensjahr des Pferdes begonnen und dauert in der Regel mindestens 8 bis 10 Jahre. Danach können sich noch die Schulen über der Erde anschließen.
Die Ausbildung findet nicht nur unter dem Sattel statt, sondern wird durch die Arbeit an der Hand ergänzt. Sie ist wichtiger Bestandteil der Pferdeausbildung. Das Pferd soll Reitübungen ohne Reitergewicht ausüben dürfen, um seinen Körper ohne störende Einwirkung von oben schulen zu können.
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